artikel von ali onur, kritiker der faz, stz und -neue bildende kunst-, september 2001
dramaturg des lichtes - fetzi baur - ein architekturfotograf im bildnerischen grenzbereich

er zählt zu deutschlands renommierten grössen im bereich der architektur- sowie peoplefotografie, dem er gemäß seinem künstlerischen und technischen credo "the art to press the button" nachgeht. mit gestalterischem feinsinn und handwerklichem perfektionismus erfasst er zielbewusst das wesentliche" und den "charakter" des fokussierten. sein fotografisches oeuvre trägt eine durchgängige und überaus signifikante handschrift, die sich im modellierenden umgang mit dem licht zeigt, daß er ähnlich einem maler überaus präzise zu dosieren und auf facettenreiche weise meisterhaft zu dirigieren und zu platzieren versteht.

diese artistische kontrolle des lichtes macht es zu einem charismatischen fluidum, das ein jedes bild sorgsam durchdringt und eine enorme farbintensität zur entfaltung bringt. Vor allem die oftmals eher nüchtern betriebene architekturfotografie erhält durch fetzi baurs "lichtbildnerische" umsetzungsform und darstellung von architektur eine neue qualitative dimension, da sie den status quo des räumlichen und die eigentümliche physiognomie des architektonischen mit einem ungewöhnlich vitalen ausdrucksvermögen sowie mittels einer prägnanten plastischen farbigkeit anschaulich und unverfälscht zu beleuchten vermag.

hierin liegt eine besondere stärke seiner fotografischen aufzeichnung. sie vermag auf besonders kraftvolle weise den architektonischen körper regelrecht zum sprechen zu bringen. mit sicherem blick erfasst der fotograf das wesen eines baukörpers - seine "identität". bei seinem alles diagnostizierenden blick bewahrt fetzi baur immer den übergeordneten, ganzheitlichen zusammenhang eines bauwerks. In diesem fotografisch-gestalterischen prozess fließen auch seine langjährigen erfahrungswerte als peoplefotograf ein. diese haltung ist ein seltener ausdruck fotografischer weitsichtigkeit, die die künstlerische und technische kompetenz zweier unterschiedlicher fotografischer disziplinen zur kreativen symbiose führt. sie verdeutlicht zudem, dass der fotograf `mensch` und `architektur` als eine korrelierende ganzheit auffasst.

in der portraitfotografie durchdringt er intuitiv den charakter und die individuelle ausstrahlung eines menschen, den er mit treffsicherer spontaneität bildnerisch einbindet. das gilt auch in seiner fotoreihe `mensch und arbeit`, die den menschen in seinem beruflichen wirkungsfeld, d.h. in seinem räumlichen und kollegialen umfeld, aus einer erzählerischen nahdistanz heraus einfängt. ganz ähnlich verfährt der fotograf wenn er in dialog mit der architektur steht, wo es gilt das wesentliche bauliche profil bzw. die räumliche quintessenz zu erkennen und festzuhalten.

bei fetzi baur geschieht dies unter einbeziehung einer dramaturgisch präzise ausgeloteten perspektive sowie "lichtmalerischen" gestaltungskraft, die ein jedes bauwerk zum seherlebnis werden lässt. nicht von ungefähr zählt baur aus diesem grund zum fotografischen experten oder vielmehr architekturfotografischen biografen großer wirtschaftlicher konzerne und international renommierter forschungseinrichtungen, wie unter anderem daimler-chrysler, die vw ag sowie autostadt gmbh in wolfsburg, ibm, sony, bausparkasse schwäbisch hall, die max-planck- und fraunhofergesellschaft. mit logistischer scharfsinnigkeit wird die architektonische corporate identity einer firma und somit sein "gesicht" und seine räumliche organisationsstruktur exakt getroffen. hier sind die architekturfotografischen grenzen einer rein dokumentarischen funktion gesprengt, da baur ein starkes atmosphärisches wirkmoment ins spiel bringt, das den besonderen "esprit" der architektur erspüren lässt. raum artikuliert sich hierbei als ein orchestrales zusammenspiel ineinandergreifender raumvolumina, konstruktiver gesetzmäßigkeiten, unterschiedlicher materialien und oberflächenbeschaffenheiten sowie farbschwingungen. dem fotografen gelingt es, das vielschichtige vokabular eines raumes, seine gestische qualität überaus klar zu positionieren und zu artikulieren. hinzu kommt eine brillante schärfentiefe, die jede pore des raumes freigibt und die selbst räumen von enormen ausmaßen einen soliden biss verleiht. vor allem in den filigranen high-tech-gebäuden spürt man die komplexe, orthogonale grammatik des technoziden skeletts, dessen akkurate rhythmik im sonnenlicht als die anatomische morphologie eines bauwerks aufleuchtet.

wird ein architekturensemble von außen aufgenommen, geschieht dies in unmittelbarer interaktion mit dem topos des umraumes, der die architektur prägt. an diesem punkt geht fetzi baur jedoch einen schritt weiter, indem er die unauslotbare sphäre des himmels beispielsweise als tiefblauen, ozeanisch anmutenden farb- und lichtkörper einbindet, der die architektonischen formen und glieder mit lebendigem licht auflädt. ebenso versteht er es dynamische wolkenformationen mit geradezu poetischer federführung in kontrapunktischem dialog mit dem bauwerk zu bringen, um dadurch architektonische charakteristika besonders zeichenhaft hervortreten zu lassen bzw. diese zum klingen
zu bringen. diese subtile form des "zeichnens im licht" erweist sich als der unverkennbare fotografische duktus eines meisters, der die zeitgenössische architekturfotografie mit esprit nouveaux erfüllt.



achim onur
kritiker (faz, stz, neue bildende kunst)

september 2001

 

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